Der Regensdorfer Max Wirth hat die Züri Metzgete in den 1950er-Jahren zumeist im Feld der Abgeschlagenen absolviert. Für den Bahn-Spitzenfahrer gehörte sie damals trotzdem einfach dazu.
![]() Max Wirth und sein Original-Strassen- Rennvelo aus den 1960er-Jahren. |
«Für mich ist es immer viel zu fest auf und ab gegangen», lacht der 79- Jährige, als er beim Gespräch am heimischen Esszimmertisch auf die Züri Metzgete zu sprechen kommt, «dafür waren andere besser geeignet.» Die Strecke führte damals, in den 1950er-Jahren, noch von Zürich aus durchs Zürcher Oberland, über den Irchel, den Siglistorfer und Hüttiker, in einer Zusatzschlaufe über den Zürcher Rosengarten und über Regensberg wieder zurück nach Zürich. Eine Route, für die Wirth mit seinen 1,85 m und 85 kg nicht eben geschaffen gewesen sei: «Ich war wirklich kein Bergfloh.» Vielmehr sei er ein starker Roller gewesen, einer also, der über lange Zeit ein sehr hohes Tempo fahren kann. Diese Qualität machte ihn gleichzeitig zu einem starken Zeitfahrer.
Doch der bescheidene Exprofi relativiert: «Wäre ich ein echter Strassen-Spitzenfahrer gewesen, hätte ich durchaus eine Chance gehabt, denn die Berge hier sind ja doch nicht so hoch wie etwa bei den grossen Rundfahrten in den Alpen oder Pyrenäen.» So kam er bei seinen sechs Teilnahmen an der internationalen Meisterschaft von Zürich, wie die Metzgete damals offiziell hiess, einmal auf den 40. Platz – «in etwa, ganz so genau weiss ich das nicht mehr».
Einer landete im Brunnen
Dafür kann sich Max Wirth umso besser an einige Züri-Metzgete-Begebenheiten erinnern, die er im Gruppetto erlebte – der Gruppe der Abgeschlagenen, die am Ende des Felds zusammenhalten, um die Zeitlimite nicht zu überschreiten. «Bei der Abfahrt vom Siglistorfer gab es in Schneisingen eine sehr enge Kurve mit einem Brunnen daneben », erzählt Wirth etwa, «einmal hat einer vor mir die Kurve nicht gekriegt und ist gleich noch in den Brunnen gefallen. Ich habe natürlich angehalten, bin vom Velo gestiegen und habe nach ihm geschaut.» Das habe man damals noch so gemacht – vor allem, wenn man ohnehin schon abgeschlagen gewesen sei, erklärt Wirth. Einmal musste aber auch er vorzeitig vom Rad: Auf den Schotterpisten bei der Abfahrt vom Siglistorfer hatte er eine Reifenpanne. «Und einen Servicewagen, der einem ein neues Rad gegeben hätte, hat es damals nicht gegeben.» Noch dazu absolvierte Wirth die Metzgete als Einzelfahrer, was heutzutage undenkbar ist.
Trotzdem liess sich der ausdauernde Fahrer nicht so schnell aus dem Sattel werfen. Auch nicht, als es in Regensberg schneite und sich auf der Strasse ein «rechter Pflotsch» bildete. Die Metzgete wurde damals noch Ende April ausgetragen – für den Bahn-Spitzenfahrer neben dem Umstand, dass sie eben einfach dazugehört habe, der Hauptgrund für die Teilnahme.
«Schinderhannes» von Oerlikon
Zur PersonGeburtsdatum: 9. Dezember 1930Wohnort: Regensdorf Beruf: Radprofi und Werkmeister (Elektriker) Sportliche Laufbahn: 1951–1953 Rieden-Wallisellen, 1953–1970 Racing Club Seebach, von 1956 an als Profi Grösste Erfolge: 1957 Sieg im Stundenrennen «Blaues Band von Zürich; 1959 Schweizer Meister im 5-km-Verfolgungsrennen; sechs WM-Teilnahmen; 1952 Olympia- Teilnahme in Helsinki. |
«Die Metzgete war mit das erste Rennen im Jahr, so dass ich sie gerne zur Vorbereitung auf die Bahnsaison genutzt habe», erklärt Max Wirth. Auch wenn es für ihn kaum etwas zu gewinnen gab, holte er sich bei der Rundfahrt doch das, wofür er auf der Bahn berühmt war: die Wettkampfhärte. «Beim Sechstagerennen haben sie mir den Übernamen «der Schinderhannes» gegeben», erzählt Wirth. Und klärt auf: «Immer, wenn das Tempo im Feld gerade zu niedrig war, hat der Renndirektor mich gerufen und aufgefordert, meinen Partner abzulösen und zu forcieren.» Seine Spezialdisziplin auf der Bahn war das Verfolgungsrennen, in dem er 1959 den Schweizer Meistertitel gewann und sich bei seinen sechs WM-Teilnahmen fünfmal für den Viertelfinal qualifizierte. Dabei habe es sich bei seinen Gegnern bei den Welt-Titelkämpfen durchwegs um Vollprofis gehandelt. Für Wirth bedeutete Profi zu sein dagegen, dass er zwar Preisgelder und zuweilen Material bekam, aber voll berufstätig blieb. In seinem Lehrberuf als Elektriker bildete er sich fort und arbeitete sich zum Werkmeister hoch – trainiert wurde abends und am Wochenende.
Im Nachhinein bedauert dies der 79-Jährige. Hätte er zu seinen besten Zeiten als Profi voll aufs Radfahren gesetzt, hätte er sicher die eine oder andere WM-Medaille geholt, ist er sich sicher. Und vielleicht hätte er auch einmal die Züri Metzgete auf einer vorderen Position im Klassement beendet.
Peter Weiss
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